Situativer Ansatz

Thesen

Die Bandbreite von auftretenden Organisationsstrukturen und Verhaltensformen von Organisationsmitgliedern ist bedingt durch die spezifische Situation, in der sich eine Organisation befindet.

Die Effizienz von Strukturen und Verhaltensweisen ist abhängig von situativen Randbedingungen.


Ziele

Ausgehend von den beiden obigen Thesen kommt man zu dem Schluss, dass es die optimale Organisationsstruktur nicht gibt.

Der situative Ansatz betreibt empirische Forschung mit dem Ziel, die Abhängigkeiten zwischen ausgewählten Merkmalen der Organisationsstruktur von ausgewählten situativen Randbedingungen zu erkennen.


Organisationsmerkmale

Die ausgewählten Merkmale einer Organisation sollen objektiv gemessen werden, d.h. unter Verwendung von nachvollziehbaren Messverfahren (was wird wie erfasst und auf welche Skala abgebildet?). Die Ergebnisse sollen intersubjektiv eindeutig und durch Wiederholung der Messung überprüfbar sein.

Zur Vorbereitung einer Untersuchung legt man fest, welche Einflussfaktoren berücksichtigt werden sollen und in welchem Bereich (globale Umwelt, Branche, Region, Aufgabenumwelt, organisationsinterne Umwelt) die Einflussfaktoren betrachtet werden sollen. Dann stellt sich die Frage nach den möglichen abhängigen Variablen. Die empirische Erfassung kann durch objektivierte Messungen oder subjektive Wahrnehmung erfolgen.

Einige Merkmale (Einflussfaktoren):

• Leistungsprogramm,
• Grösse,
• Fertigungstechnologie,
• Informationstechnologie,
• Rechtsform und Eigentumsverhältnisse,
• Alter der Organisation,
• Art der Gründung,
• Entwicklungsstadium der Organisation,
• Konkurrenzverhältnisse,
• Kundenstruktur,
• technologische Dynamik,
• gesellschafliche Bedingungen,
• kulturelle Bedingungen.


Erhebung

Für die Erhebung der interessierenden Grössen kommen mehrere Erhebungsverfahren (Perspektiven) in Frage:

• Analyse von Dokumenten (Organisationshandbücher, Geschäftsberichte, ...),
• Befragung von Schlüsselpersonen (vor allem Führungskräften),
• Mitarbeiterbefragungen.


Unter Anderem folgende Merkmale der Organisation können als abhängige Variablen auftreten:

• Spezialisierung,
Koordination,
• Konfiguation.


Es stellt sich die Frage, wie diese Merkmale gemessen werden können.

Die Messung der Spezialisierung kann den Umfang der Spezialisierung verrichtungsorientiert oder produktorientiert erfassen. Es kann aber auch die Art der Spezialisierung (funktions- oder objekt-orientiert) festgestellt werden. Es wird die Zahl der teilspezialisierten Stellen gezählt.

Die Messung der Koordination kann bei Koordination durch persönliche Weisungen erfolgen, in dem der Umfang der Kommunikation zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten ermittelt wird. Es kann die Zahl der hierarchischen Ebenen gezählt werden. Bei Koordination durch Selbstabstimmug können Umfang und Häufigkeit organisierter oder nicht organisierter Besprechnungen gemessen werden. Bei der Koordination durch Programme kann ausgewählten Auskunftspersonen eine Liste mit Aktivitäten vorgelegt werden. Für jede Aktivität ist das Ausmass der Programmierung anzugeben. Das Gesamtmass für die Organisation ist die Summe der Einzelwerte.

Die Messung der Konfiguration kann die Gliederungstiefe (Anzahl der hierarchischen Ebenen), die Leitungsspanne der obersten Instanz, die durchschnittliche Leitungsspanne oder die funktionalen Weisungsspannen (Anzahl der fachlich unterstellten Instanzen) erfassen.


Ergebnisse

Organisationsgrösse als Einflussfaktor: Mit steigender Organisationsgrösse steigt die Anzahl der spezialisierten Stellen.

Umweltdynamik als Einflussfaktor: Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Organisationsstrukturen erfolgreicher Unternehmen, die in einer dynamischen Umwelt angesiedelt sind, und solchen erfolgreichen Unternehmen, die in einer statischen Umwelt agieren. In dynamischer Umwelt sind organische Strukturen effizient, in statischer Umwelt mechanistische Strukturen.

Fertigungstechnologie als Einflussfaktor: Je höher die Komplexität der Fertigungstechnologie, desto höher ist der Anteil der Mitarbeiter mit Leitungsaufgaben, desto höher ist die Zahl der Hierarchieebenen, desto höher ist die Kontrollspanne der Unternehmensführung. In Unternehmen, die technologisch führend oder rückständig sind, herrscht mündliche Kommunikation vor, während in anderen Betrieben vorwiegend schriftlich kommuniziert wird.


Bewertung

Der situative Ansatz baut auf differenzierten Vorstellungen von Organisation sowie der relevanten Einflussfaktoren auf. Die Grundannahmen sind plausibel aber kaum informativ. Die durchgeführten empirischen Untersuchungen sind sorgfältig und methodisch anspruchsvoll. Es werden aber wenig aussagekräftige Zahlen statistisch aufwendig ausgewertet. Es ist fraglich, ob angesichts der streuenden Wahrnehmungen und Interpretationsmuster der Betroffenen die objektive Erfassbarkeit des Phänomens Organisation gegeben ist. Die Veränderungen einer Organisation und ihrer Umwelt im Zeitverlauf bleiben unberücksichtigt.