Delphi-Methode

Aus der Pressemitteilung des BMFT zum Delphi-Report 1998:

1. Warum Delphi?

Mit Delphi-Studien kann ein fundierter Blick in die Zukunft gewagt werden. Wie die Zukunft tatsächlich aussehen wird, weiß niemand. Es ist jedoch möglich, bereits jetzt bestimmte Entwicklungen einzuschätzen, sie gemeinsam zu überprüfen, zu diskutieren und dann Maßnahmen zu überlegen, um sie Wirklichkeit werden zu lassen - oder sie gegebenenfalls zu verhindern. Damit wird Zeit gewonnen, evidente Fehlentwicklungen zu bremsen oder Innovationen, die wir dringend brauchen, schneller anzustoßen. Delphi-Studien liefern also nicht einfach ein Bild von der Zukunft, sondern eine Informationsgrundlage für die Entscheidung, was jetzt zu tun oder zu lassen ist.

Der Kern des Delphi-Verfahrens besteht aus zwei sogenannten "Befragungsrunden". Von Fachkommissionen erarbeitete Thesen werden einer großen Anzahl an Experten zur Bewertung vorgelegt. Deren Antworten werden ausgewertet und denselben Personenkreisen noch einmal zugeschickt. In dieser zweiten Runde sollen die Experten ihre Antworten unter dem Einfluß der Einschätzungen ihrer Fachkollegen noch einmal überdenken und ihre Meinung ändern - oder nicht. Anonymität ist gewährleistet, so daß bei einer Meinungsänderung niemand sein Gesicht verliert oder sich rechtfertigen muß.

Die erste deutsche Delphi-Studie zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik (1) wurde 1993 im Auftrag des BMFT vom Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), das mit dem japanischen National Institute for Science and Technology Policy (NISTEP) zusammenwirkt, durchgeführt. In Japan besteht mittlerweile eine dreißigjährige Erfahrung auf diesem Gebiet (2), so daß von der zugrundeliegenden fünften japanischen Studie sehr viel gelernt werden konnte. Der anschließende deutsch-japanische Vergleich zeigte, daß hinsichtlich der Zukunfts-technologie in vielen Fällen die internationalen Meinungen übereinstimmen, in anderen jedoch große nationale, geographische und insbesondere kulturelle Unterschiede auf andere Entwicklungspfade hinweisen.

Da sich die erste deutsche Delphi-Studie in der Umsetzung und strategischen Nutzung für die Wirtschaft, aber auch für staatliche Entscheidungsträger als sehr hilfreich erwiesen hat, wurde mit den Mini-Delphi-Studien (3) von 1995 in acht wissenschaftlich-technischen Problemlösungsbereichen die japanisch-deutsche Kooperation fortgesetzt und die Methode weiterentwickelt. Frankreich, Südkorea und Großbritannien sowie seit kurzem auch Länder wie Österreich oder Malaysia usw. sind inzwischen der deutschen Initiative, Delphi-Befragungen für eine umfassende Technikvorausschau zu nutzen, gefolgt. Auf europäischer Ebene existiert ein Netzwerk der beteiligten Institutionen, um Informationen zu neuer Technologie, Technologiepolitik und auch Methodentheorie auszutauschen.

Die neuerliche Studie Delphi '98 soll eine Aktualisierung der Daten ermöglichen, denn in den letzten Jahren sind in Deutschland und in anderen hochentwickelten Industrieländern einige Weichen für die Zukunft umgestellt worden. Anders als beim Delphi '93 sollten die deutschen Belange die Studie bestimmen. Aber auch neue Themenfelder, wie z.B. Dienstleistung und Management, wurden aufgenommen und neue Schwerpunkte gesetzt. Um internationale Vergleiche zu ermöglichen, wurden aber auch Themen aus dem sechsten japanischen Delphi, das parallel zu der deutschen Studie durchgeführt wird, übernommen.

2. Die Organisation von Delphi '98

Die Themen der Delphi-Studie wurden in einem abgestuften Prozeß erarbeitet. Zunächst wurde ein Lenkungsausschuß am BMBF gegründet, der sich aus folgenden hochrangigen Persönlichkeiten verschiedener Institutionen zusammensetzt:

Leitung: Prof. Dr. Gerhard Zeidler, DEKRA,
Stellvertreter: Prof. Dr. Hans Jürgen Quadbeck-Seeger, vormals BASF,
Reiner Korbmann, Bild der Wissenschaft,
Dr. Wilhelm Krull, Volkswagen-Stiftung,
Prof. Dr. Friedhelm Neidhardt, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung,
Dr. Eberhard Rauch, Bayrische Vereinsbank AG,
Dr. Tom Sommerlatte, Arthur D. Little,
Prof. Dr. Frank Steglich, TH Darmstadt, sowie
Prof. Dr. Cornelius Weiß, Universität Leipzig.

Der Lenkungsausschuß legte die folgenden Themenfelder fest.
Die ausgewählten Felder und damit Fragebögen der Delphi-Studie sind:

Delphi ´98 Themenfelder

Information & Kommunikation
Dienstleistung & Konsum
Management & Produktion
Chemie & Werkstoffe
Gesundheit & Lebensprozesse
Landwirtschaft & Ernährung
Umwelt & Natur
Energie & Rohstoffe
Bauen & Wohnen
Mobilität & Transport
Großexperimente

Die detaillierte inhaltliche Vorbereitung der Studie (Überarbeitung der Thesen usw.) fand in Fachausschüssen statt, die mit mehr als 100 fachkundigen Personen aus Industrie, Hochschulen und anderen Einrichtungen besetzt sind. Die Moderation eines jeden Fachausschusses wird von einem der Lenkungsausschuß-Mitglieder übernommen. Die Fachausschüsse trafen sich im April 1996 zu einer Auftaktveranstaltung und setzten ihre Arbeit dann virtuell, d. h. telekommunikativ, fort. Jeder Fachausschuß betreut zwei benachbarte Themengebiete, um den interdisziplinären Informationsaustausch über die Fachgrenzen hinweg zu fördern und problemorientierte Lösungsansätze zu formulieren.

Koordiniert wird der gesamte Prozeß vom Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Von dort wurde auch die weitere Erarbeitung der Fragebögen, der Versand, der Aufbau einer Adreß-Datenbank und die analytische Arbeit betreut.

(1) herausgegeben als BMFT-Buch: Deutscher Delphi-Bericht zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik, Bonn 1993 (vergriffen).

(2) Nachzulesen bei Cuhls, K.: Technikvorausschau in Japan. Ein Rückblick auf 30 Jahre Delphi-Expertenbefragungen, Heidelberg 1998.

(3) herausgegeben als BMBF-Broschüre: Delphi-Bericht 1995 zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik - Mini-Delphi -, Bonn 1996